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Versuch einer Heimatbestimmung, SW-Fotos



Heimat, ein Wort von großer Bedeutung



Was dieses einzige Wort für mich bedeutet, kann nur mit vielen Worten beschrieben werden. Heimat ist für mich das Land, wo ich geboren wurde, in dem ich aufwuchs und mit meiner Familie lebte. Heimat ist auch der Ort, in der ich als Kind und junger Mann arbeiten musste, um für meine Familie den Lebensunterhalt zu verdienen. Mit diesen Orten verbinde ich viele schöne und weniger gute Erinnerungen. Heimat ist für mich ein Potpourri aus Erlebnissen, Gefühlen, Gerüchen, Geräuschen –hauptsächlich der Musik- und Geschichten. Wie schmerzlich ich diese Heimat vermissen kann, wurde mir auf einer Reise bewusst.

Nachdem ich bereits seit 1968 im Exil in Deutschland lebte, ging meine Reise anlässlich einer Grafik Biennale 1983 nach Varna-Bulgarien. Nach der geleisteten Arbeit in der Jury nahmen mich die Veranstalter auf eine Bootsfahrt auf dem Schwarzen Meer mit, die entlang der Küste führte. Dort machten sie mich überraschend darauf aufmerksam, dass am anderen Ufer die Türkei, die Stadt Tekirdağ, zu sehen war. Der Genosse Offizier rief mich, um mir mit Freude zu zeigen: "Schau, dort ist deine Heimat!". Die Veranstalter, die mir mit dieser Bootsfahrt eine Freude machen wollten, verstanden meine aufkommende Traurigkeit nicht.

Vom Boot aus schaute ich auf meine Heimat, die ich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte und nicht betreten durfte. Ich sah das Land, die Häuser, die Gegend und ein Gefühl von tiefer Traurigkeit und Verzweiflung breitete sich in mir aus. Meine Heimat! Ich dachte in diesem Moment, dass ich sie nie mehr betreten durfte, dass ich sie für immer verloren hatte und ich wusste, dass sie sich für immer in meiner Seele eingeschlossen hatte. Wo auch immer ich auf dieser Erde sein werde, die Türkei wird für Immer meine Heimat sein.

Ein türkisches Sprichwort sagt: „Sperrt man die Nachtigall in einen goldenen Käfig, so singt sie trotzdem traurige Lieder. Gibt man ihr die Freiheit in die Fremde zu fliegen, so singt sie fröhliche Lieder, auch wenn sie auf einem verdorrten Ast sitzt.“ Mit diesem Sprichwort drückt man die Sehnsucht in der Fremde nach der Heimat aus, satt werden allein reicht nicht, um glücklich zu sein.

Nach Jahren besuchte mich mein Künstler-Freund, Karl Georg Hirsch aus Leipzig, der diese Bootsfahrt auch miterlebte, und er erzählte mir voller Mitgefühl, wie sehr ihn diese Geschichte, meine tiefe Traurigkeit, berührt hatte und dass er mein trauriges Gesicht nie vergessen konnte.

Erst nachdem ich wieder in die Türkei einreisen durfte, ließ die Traurigkeit über die verlorene Heimat nach und ich stellte erstaunt fest, dass ich auch Sehnsucht nach meiner neuen, meiner zweiten Heimat –Deutschland- hatte. Wenn ich in Deutschland bin, habe ich Sehnsucht nach der Türkei, wenn ich in der Türkei bin, habe ich Sehnsucht nach Deutschland.

İsmail Çoban


 



Erdal Şahin

Die Rede des Herrn Generalkonsul Firat Sunel

Süleyman Kayaalp und Ismail Çoban

Das Publikum

Süleyman Kayaalp und Erdal Şahin

Das Publikum

von links: Ismail Çoban, Süleyman Kayaalp und der Generalkonsul Firat Sunel